"Lang genug trainiert habe ich ja" denke ich als ich im Startbereich mit zig anderen Pink-Kappen stehe, und habe doch Zweifel ob er gut ausgehen wird, mein erster Start über die Triathlon-Langdistanz. Waren die 4300 Km auf dem Rad, die 1000 Km zu Fuss und die 160 Km im Schwimmbad seit Jahresbeginn wirklich ausreichend zur Vorbereitung, um ohne Pause 3,8 Km zu schwimmen, 180 Km zu radeln und anschliessend noch einen Marathon zu laufen und das ganze in einer zufriedenstellenden Zeit? Als der Aufruf für die Startgruppe 7, die Pink-Kappen, ertönt, werde ich ganz Fatalist; "Klappt schon!". Es kann losgehen, mein Abenteuer Ironman bei der Quelle Challenge Roth 2009.
Mit pathetischer ohrenbetäubender Musik werden um Punkt 7:25h mit mir 350 der insgesamt 2500 Athleten auf die 226 Km lange Reise geschickt. Den kleinen Startgruppen und der breiten Startlinie sei Dank beginnt das Schwimmen im 21 °C warmen Main-Donau-Kanal ohne das übliche Schlagen und Treten und ich finde schnell meinen Wohlfühlrhythmus. "Weit nach vorne greifen", "Ellenbogen hoch", "Arm ganz durchziehen", die Befehle der Schwimmtrainerin kreisen durch meinen Kopf. Sehr schön, da sind ja auch schon einige von den Blaukappen, die 5 Minuten vor mir gestartet sind. Das motiviert. Nach 69 Minuten ist die erste Disziplin abgehakt. Lief schon mal gut! Ab ins Wechselzelt, Neo aus und in die Radschuhe. Mein Cervelo wartet schon.
Mit viel Getöse durch die anfeuernden Zuschauer geht es auf die Radstrecke durch den Rother Landkreis. Schnell wird es ruhig und ich finde bald meine ideale Trittfrequenz und mache es mir in der Aeroposition bequem. Nach wenigen Minuten kommt schon das erste Stimmungsnest, die Biermeile in Eckersmühlen. Unglaublich, da sitzen schon um 9:00 morgens hunderte begeisterte Zuschauer und feuern uns an. Nun folgen ca 15 Km im leicht hügeligen Gelände. Jetzt bloss nicht gleich überpacen! Wenn die Oberschenkel beginnen zu brennen, sofort runterschalten! Mit dieser Strategie ist dieses Stück schnell passé und nach einem längeren flachen Abschnitt folgt in Greding der erste und schwerste Anstieg des 2-Runden-Kurses Die 2 km Anstieg mit bis zu 10% Steigung werden mit einer wunderschönen Aussicht über das hügelige Rother Umland belohnt. Einige Anstiege und kleinere Stimmungsnester später kommt der wahre Grund, warum es jedes Jahr so viele Triathleten aus der ganzen Welt nach Roth zieht: der Solarer Berg. Man muss es erlebt haben um zu ermessen, was es heisst, angetrieben von Jubel und lauter Musik durch eine schmale Gasse hindurch vorbei an zehntausenden Triathlonfans im Wiegetritt den Berg raufzustrampeln. Viel zu schnell ist auch dieser Rausch vorbei und es geht in die zweite Runde, die sich von der ersten nur durch allmählich auflebenden Wind und Nieselregen unterscheidet.
Noch überaus fit und weiterhin hoch motiviert komme ich nach 5:35h in die Wechselzone 2. Jetzt geht der Ironman erst los, denke ich, als ich mich auf die 42 km lange Laufstrecke mache, in der Erwartung dass es gleich richtig weh tuen wird. Den ersten Kilometer in 05:20min gelaufen. Das ist viel zu schnell! Ich versuche mich zu bremsen: 5:30. Egal, die Geschwindigkeit wird erst mal gehalten, obwohl deutlich höher als geplant. Chrissie Wellington kommt mir auf ihren letzten Kilometern entgegen. Ich vermisse das für sie so typische strahlende Lächeln, obwohl sie hier den Weltrekord der Frauen über die Langdistanz um ganze 14 Min unterbieten wird. Meine ersten 20 km ziehen vorüber ohne Zwischenfälle. Es geht entlang des Kanals zum ersten Wendepunkt in Schwanstetten, wo schon wieder die Stimmung tobt. Die große Überraschung des Tages gelingt meinen Arbeitskollegen und Freunden Marcus und Guido, die plötzlich "Eisen-Olli" rufend an der Strecke stehen. Ich kann es nicht fassen und falle ihnen erstmal um den Hals. Schnell ein paar Worte gewechselt, "Wie fühlst Du dich? "Prächtig!", "Ja, sieht man" und es geht weiter. Ich warte auf den großen Einbruch, der aber nicht kommt. Mir kommt stattdessen Jörg entgegen, einer meiner Vereinskollegen, der nach einer verletzungsbedingt völlig vermurksten Vorbereitung heute seinen dritten Ironman finishen wird. Er sieht schlecht aus, brabbelt mir irgendetwas unverständliches zu und ich grüße ihn aufmunternd. Werde ich nach 30 Km auch so aussehen? Noch fühle ich mich super doch ich merke wie das leicht wellige Profil auf diesem Abschnitt Kraft kostet. Da stehen schon wieder Marcus und Guido. Marcus läuft ein Stück mit mir und ich erzähle ihm voller Begeisterung von den vergangenen 10 Stunden. Nach der zweiten Wende geht es auf die letzten 10 km. Nun kommt er dann doch, der Punkt, ab dem es langsam keinen Spaß mehr macht. Bei Km 35 treffe ich auf Vereinskollegin Katja, die hier vor einem Jahr bei strömenden Dauerregen gefinisht hat und uns heute als Zuschauerin unterstützt. Auch sie läuft gut einen Km mit mir und bringt mich ein wenig aus meinem Formloch. Doch die Geschwindigkeit ist nun im Keller. Über 5:45 pro Kilometer komme ich nicht heraus. Der letzte Km bis ins Ziel ist noch erschwert durch einen Anstieg, auf dem mich aber wieder Marcus und Guido ein Stück begleiten. Jetzt hört man auch schon den tosenden Lärm aus dem Zielbereich des Rother Triahlonparks. Schon reihen sich etliche jubelnder und klatschender Zuschauer entlang der Absperrungen. Beim Durchlaufen des Torbogens in die Arena bin ich überwältigt von der unglaublichen Stimmung und die Augen werden feucht. Spätestens jetzt weiß ich wofür ich mich ein halbes Jahr vorbereitet habe. Ich höre, wie mein Name aufgerufen wird, es geht nun noch eine halbe Runde entlang der vollbesetzten Tribünen und dann ist es geschafft. Nach 10:45:46 bin ich am Ziel eines großen Traums.